05 | 01 | 2022

Zum Beispiel Virginia

Als Mutter dank AMIE Basel den Berufseinstieg meistern

Als frischgebackene Mutter musste Virginia lernen, was viele Mütter nach der Geburt erleben: Arbeit und Familie unter einen Hut zu bringen, ist eine gewaltige Herausforderung. Bei AMIE Basel fand Virginia Unterstützung und eine Perspektive, um sich selber in ihrer Rolle als Mutter, die Kinder und den Berufseinstieg unter einen Hut zu bringen.

Eine schwierige Zeit

Virginia war 23 Jahre alt und arbeitete als Reinigungskraft in Allschwil als sie erfuhr, dass sie schwanger ist. «Ich war glücklich und freute mich auf unser Kind.» Für sie war immer klar, dass sie auch als Mutter weiter Arbeiten geht und meldete ihr Baby in eine Kita an. Die Kosten für den Betreuungsplatz für vier Tage die Woche hätte ihren eigenen Monatslohn um CHF 200.- übertroffen. Daraufhin kündigte sie ihre Stelle, um die Betreuung ihrer Tochter selber zu übernehmen. «Das war eine schwierige Zeit», erinnert sich Virginia. «Ich war jung, frischgebackene Mutter, arbeitslos und sah ohne Ausbildung keinen Ausweg aus meiner Situation.»

Ihre Ausbildung zur Architektin in Spanien hatte Virginia abgebrochen, um ihrem Mann in die Schweiz zu folgen. Hier wurden die Abschlüsse nicht anerkannt und so arbeitete sie als Reinigungskraft. In Abendkursen vertiefte sie ihre Deutschkenntnisse. Es war ihr Ziel, bald eine Ausbildung anzufangen und als Fachkraft zu arbeiten. Die Geburt der Tochter warf diese Pläne um. «Meine Deutschkenntnisse waren noch nicht so gut und ich kannte meine Möglichkeiten nicht, um mich selber aus der Situation zu befreien.»

Erst skeptisch

Virginia erinnert sich genau, wie sie zum ersten Mal von AMIE Basel hörte. «Ich gebe zu, ich war erst skeptisch», erzählt sie rückblickend. Es war eine Freundin, die ihr von den Kursen bei AMIE berichtete und der Unterstützung, die diese darin erfuhr. Nach einem Gespräch mit einer Kursleiterin entschied sich Virginia, sich anzumelden. «Bei AMIE helfen sie dir so, dass du an deiner Situation selber etwas ändern kannst.» Das habe die junge Mutter dann überzeugt.

«Es war perfekt für mich», erinnert sich Virginia. «Ich konnte die Kurse besuchen, die Kinderbetreuung war organisiert und ausserdem half AMIE auch bei meinem Umzug in die Stadt oder der Kommunikation mit den Ämtern.» Dank der Unterstützung von AMIE konnte Virginia ihr wichtigstes Ziel verfolgen, eine Ausbildung zu finden. «Es ist unser Ziel, dass alle Kursteilnehmerinnen im Sommer nach Ende der Kurse eine Anschlusslösung haben», erzählt Flavia Grossmann, Geschäftsleiterin von AMIE Basel. «Das ist im Idealfall eine Lehrstelle, aber es kann auch ein Praktikum sein oder ähnliches.» 

Stärkung zur Selbständigkeit

Auf dieses Ziel ist der Stundenplan bei AMIE Basel ausgerichtet. In der ersten Wochenhälfte fokussiert sich der Unterricht auf die Berufswahl. Dabei helfen beispielsweise Berufsworkshops oder geladene Gäste, die den Müttern ihre Berufe vorstellen. Auch im Fokus steht dabei die Persönlichkeitsentwicklung und die Erforschung der eigenen Kompetenzen, sowie das Bewerbungstraining. «Wir fangen früh mit dem Dossier der Kursteilnehmerinnen an», sagt Flavia Grossmann, «um dann bereit zu sein für das Schreiben der Bewerbungen. Das ist ein zentraler Punkt unseres Angebots.»

In der zweiten Wochenhälfte fokussieren sich die Kurse auf den schulischen Nachholbedarf der Teilnehmerinnen in den Fächern Deutsch und Mathematik. Der Unterricht wird jeweils dem individuellen Wissensstand angepasst. Es geht dabei auch darum, dass sich die Kursteilnehmerinnen ihren Prüfungsängsten stellen oder ihre Lernblockaden überwinden. 

Im Zentrum der Woche steht der Mutter-Kind-Morgen. Dabei begegnen sich die Frauen als Mütter und auch die Kinder, die während der übrigen Zeit fremdbetreut sind, lernen sich untereinander kennen. Im Sinne der Peer-Education bringen sich die Mütter ein und tauschen sich miteinander aus. Begleitet wird der Vormittag von einer Familientherapeutin, wobei Unsicherheiten abgefangen und auch Verhaltensmuster aus der eigenen Biographie reflektiert werden sollen.

«Wie eine Familie»

Gerade der Austausch mit Gleichgesinnten stärkt die Resilienz. «Du merkst, du bist nicht alleine», erinnert sich Virginia. «Ich bin ja nicht ganz alleine und lebe mit dem Vater der Kinder zusammen, der mich auch sehr unterstützt. Dennoch sind alle AMIE-Frauen in ähnlichen Situationen und wir können einander helfen. Ich habe mich immer wie in einer Familie gefühlt. Vor vier Jahren habe ich AMIE abgeschlossen, aber wir sind im Kontakt geblieben und schreiben uns und berichten von unseren Fortschritten aus unseren Leben.»

Virginia betont, dass sie sich mit allen Fragen aufgehoben fühlen durfte bei AMIE: «Ich habe so viel fürs ganze Leben gelernt. Meine Deutschkenntnisse habe ich verbessert und durch AMIE eine Lehrstelle gefunden.» Sie erinnert sich auch lebendig an die Sätze der Familientherapeutin: «Halb gut ist auch gut.» Virginia wollte perfekt sein und immer alles tipptopp erledigt haben. «Es ist aber wichtig, Prioritäten zu setzen. Es gibt schwierige Tage im Alltag, wenn die Kinder krank sind und eine Prüfung bevorsteht. Dann muss ich die Küche einfach mal stehen lassen können, um mich auf das Wichtigste zu konzentrieren.»

Als Frau angekommen

Virginia erinnert sich zurück an die schwierige Zeit nach der Geburt ihrer ersten Tochter, nachdem sie ihren Job als Reinigungskraft aufgeben musste. «Ich habe viele Bewerbungen geschrieben, aber ohne Ausbildung hatte ich keine Chance.» Natürlich sei sie als Mutter von bald zwei Kindern glücklich gewesen. «Aber ich habe mich leer gefühlt.» Mit der Unterstützung von AMIE fand die junge Mutter einer Lehrstelle zur Büroassistentin, die sie nach zwei Jahren erfolgreich abgeschlossen hatte. Nach einer Weiterbildung arbeitet Virginia nun als Zolldeklarantin. «Ich steh’ jeden Morgen auf und geh gerne zur Arbeit. Als Frau ist mir erst jetzt wohl: Ich bin Mutter und habe einen Beruf gefunden, den ich so liebe. Ich werde AMIE Basel für die Unterstützung dabei ewig dankbar sein.»

Maren Stotz

Das Treffen mit Virginia fand am 16. November 2021 in Basel statt.

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